Das Vorsichtsprinzip

Das Vorsichtsprinzip

Der Begriff stammt aus dem externen Rechnungswesens und gehört zu den sogenannten Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (kurz: GoB). Das Vorsichtsprinzip besagt, dass der Kaufmann seinen Jahresabschluss unter vorsichtiger Bewertung aufstellen soll. Konkret bedeutet das:

  • Gewinne, die noch nicht eingetreten sind darf er nicht bilanzieren
  • nicht realisierte Risiken oder Verluste hingegen muss er berücksichtigen

die rechtliche Grundlage dafür bildet §252 (1) Nr.4 HGB

Wichtig: hinter diesem Gesetzestext verbergen sich gleich zwei wesentliche GoB

Test

Das Imparitätsprinzip:

  • antizipiert Verluste, d.h. alle bekannten Risiken und Verluste müssen in die Bilanz einfließen. Auch solche, die erst nach dem Abschlussstichtag, aber vor Erstellen des Jahresabschlusses bekannt werden
    • Stichwort: wertaufhellende Tatsachen
  • gemeint sind Verluste aus:
    • abgeschlossenen Geschäften (= Forderungen)
    • Wertminderungen von Vermögensgegenständen
    • sowie Wertsteigerungen von Verbindlichkeiten (= Schulden)
  • konkretisiert wird das Imparitätsprinzip im HGB durch
    • Rückstellungen
    • Niederstwertprinzip
    • Höchstwertprinzip

Beispiele:

  • Schadensersatzklagen
  • Wertminderungen des Umlaufvermögens, wie etwa bei Saisonware
  • schwebende Beschaffungsgeschäfte; bei denen der Wiederbeschaffungswert gestiegen ist

 

Das Realisationsprinzip:

  • es bestimmt den Zeitpunkt an dem Gewinne in der Bilanz ausgewiesen werden dürfen
    • nach herrschender Meinung gilt ein Gewinn bei „Gefahrenübergang“ als realisiert. Der Kaufmann ist seiner vertraglichen Pflicht nachgekommen und kann eine Forderung buchen.
      • Stichwort: Zeitpunkt der Lieferung und Leistung

Beispiele:

  • Wertsteigerungen von gekauften Immobilien, Maschinen etc.
  • schwebende Geschäfte

Gibt es bei Beachtung des Vorsichtprinzips auch Probleme?

  • Ja, bei langjährigen Bauprojekten ist das Realisationsprinzip als problematisch anzusehen. Solange der Fertigungsprozess nicht endgültig abgeschlossen ist, ist bspw. ein Hausbau als schwebendes Geschäft anzusehen und darf damit nicht bilanziert werden. Das bedeutet der Unternehmer hätte hohe Aufwendungen (Personalkosten, Baumaterialien usw.), aber keine Erträge.
  • Die kann mehrere Konsequenzen nach sich ziehen:
    • das im Jahresabschluss dargestellte Bild entspricht nicht den GoB nach §243 (1) HGB
    • diese absatzlosen Perioden führen u.U. zu einem hohen Ausweis von Verlusten
    • der Steueraufwand kann sich nicht gleichmäßig über den Fertigungsprozess verteilen, stattdessen wird nach Abschluss des Projektes ein hoher Gewinn ausgewiesen und dieser entsprechend hoch versteuert

 

Lösung:

  • Teilgewinnrealisierung
  • §252 (2) HGB besagt, dass der Kaufmann in begründeten Ausnahmefällen von den in Absatz 1 genannten Grundsätzen abweichen darf
  • beachte: das ist nur unter Einhaltung gewisser Kriterien möglich
    • nähere Informationen findest du hier: https://www.bakertilly.de/news/detail/praxisfall-teilgewinnrealisation-durch-echte-teilabnahmen-in-der-rechnungslegung-nach-hgb.html

Warum ist der Grundsatz vorsichtiger Bilanzierung überhaupt so wichtig?

  • zur Kapitalerhaltung
    • durch Berücksichtigung bereits bekannter Risiken und Verluste wird verhindert, dass vorzeitig Gewinne ausgeschüttet oder versteuert werden
  • zum Gläubigerschutz
    • Gläubiger sollen vor Verlust oder Ausfall ihrer Forderungen (z.B. durch Insolvenz) geschützt werden
    • das funktioniert nur, wenn der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Tatsachen entsprechendes Bild über seine wirtschaftliche Lage vermittelt

Dann darf der Unternehmer Schulden zu hoch und Vermögen zu niedrig ansetzen?

Nein, keineswegs! Das würde ein falsches Bild der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens vermitteln und damit zwingend den Gläubigerschutz gefährden

Schlussfolgerung

  • Das Vorsichtsprinzip nimmt in Kauf, dass der Unternehmer sich bilanziell schlechter darstellt als es der Wirklichkeit entspricht
  • aber: durch weitere Grundsätze wie etwa dem Niederstwertprinzip, sind dem Grundsatz vorsichtiger Bilanzierung sehr enge Grenzen gesetzt.

 

Vorsichtsprinzip

Hier findest du noch ein hilfreiches Video:


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