Thema 4: Wahrnehmung, Bewegung und Handlung

Optischer Fluss

  • Optischer Fluss eines Piloten während der Landung mit Fokus der Ausbreitung in der Mitte
    • Punkt, der angesteuert wird (Punkt der Ausbreitung), erscheint bewegungslos
    • Bereiche um diesen Punkt scheinen sich auszudehnen
    • globale, radiale Ausdehnungs-Hypothese
      • um das Ziel zu erreichen, muss Individuum durch Korrekturen diesen Punkt mit Ziel in Einklang bringen

optisches Feld

  • strukturelles Muster des Lichts, das auf die Retina fällt
  • Analyse des optischen Flusses und von Affordanzen
  • ohne komplexe Informationsverarbeitung

Wahrnehmung von Bewegung

  • Theorie der Direkten Wahrnehmung (Gibson, 1950, 1966, 1979)
    • Ökologischer Ansatz
      • statische Objekte im Labor → reale Welt in Bewegung
    • Wahrnehmung ist mehr als bloße Objekterkennung
      • Wahrnehmung und Handlung eng verknüpft
      • Wahrnehmung, um schnell und angemessen reagieren zu können
    • Direkte Wahrnehmung
      • nicht vermittelt durch retinale Bilder, neuronale Bilder oder mentale Bilder

Optischer Fluss

  • Veränderung dieser visuellen Informationen, die das Auge erreichen bei Bewegung der Person oder der Umwelt
  • liefert eindeutige Informationen über räumliche Anordnung von Objekten

Affordanzen

  • potenzielle Verwendung von Objekten
  • direkt wahrgenommen

Affordanzen - Studie (Wilf et al., 2013)

  • Versuchspersonen können schneller nach verwendbaren Objekten greifen als nach nicht-verwendbaren Objekten

Evaluation Theorie der direkten Wahrnehmung - Stärken

  • hohe ökologische Validität
  • Berücksichtigt Informationsvielfalt visueller Stimuli
  • Berücksichtigt die Wichtigkeit von Veränderungen in der optischen Anordnung
  • bezog das dorsale vision-for-action System bereits ein, bevor dieses erkannt wurde

Evaluation Theorie der direkten Wahrnehmung - Schwächen

  • weitaus kompliziertere Wahrnehmungsprozesse als angenommen
  • Annahme der Wahrnehmung ohne internale Repräsentationen nicht haltbar
    • Einbezug von Gedächtnis / Vergleich notwendig
  • Unterschätzung von top-down Prozessen (Erwartungen und Wissen)
    • besonders wichtig bei unklaren / schwer zu erkennenden Reizen
  • Rolle von Bewegung für die Wahrnehmung komplizierter
    • Nutzung des Punktes der Ausbreitung nur für direkte Bewegung zum Ziel geeignet

Medial-superior temporale Areale (MST)

  • reagieren auf optischen Fluss
  • Stimulation der Areale führt zu Fehlern in der Wahrnehmung von Bewegungen

retinaler Fluss (retinal flow field)

  • Veränderungen in den Lichtmustern auf der Retina bestimmt durch
    • linearen optischen Fluss mit Fokus der Ausbreitung (Gibson)
    • rotierenden Fluss (Rotation auf dem retinalen Abbild), der durch das Folgen eines gekrümmten Pfades sowie Augen- und Kopfbewegungen erzeugt wird

Efferenzkopie

  • internes Gehirnsignal, wie Augen / Körperteile bewegt werden (sollen)
  • → Korrektur der Wahrnehmung & Bewegung

Visuell geleitete Handlungen

  • Bewegung zu einem Ziel und Steuerung
    • retinaler Fluss (retinal flow field)
      • Veränderungen in den Lichtmustern auf der Retina bestimmt durch
  • linearen optischen Fluss mit Fokus der Ausbreitung (Gibson)
  • rotierenden Fluss (Rotation auf dem retinalen Abbild), der durch das Folgen eines gekrümmten Pfades sowie Augen- und Kopfbewegungen erzeugt wird
  • Steuerung ist unabhängig von weiteren Informationen möglich
    • Menschen können allein mit optischem Fluss navigieren
  • nur ein Auge wird für Wahrnehmung des optischen Flusses benötigt
    • trotzdem bessere Leistung / Steuerung mit zwei Augen
      • extra-retinale Informationen werden zusätzlich genutzt (vgl. Kapitel 2)
  • flexible Nutzung verschiedener Informationen

Objekt bewegt sich auf uns zu: wann wird es auftreffen?

  • Problem: Geschwindigkeit und Distanz schwer zu schätzen
  • Alternative: Nutzung der Expansionsrate des retinalen Abbildes des Objekts

Planung–Kontroll Modell (Glover, 2004)

  • Teilprozesse der Handlungsausführung
    • Planung → Planungssystem
    • Kontrolle → Prüfung und Korrektur bei Ausführung der Handlung
  • unterschiedliche Hirnregionen involviert

Planung–Kontroll Modell (Glover, 2004) - Planungssystem

  • verwendet vor der Initiierung einer Bewegung
  • wählt ein angemessenes Ziel
  • entscheidet, wie Objekt gegriffen werden soll
  • legt den zeitlichen Verlauf der Bewegung fest
  • nutzt beides räumliche und nicht-räumliche Informationen
  • relativ langsam → beeinflusst durch bewusste Prozesse
  • Planung hängt ab von:
    • einer visuellen Repräsentation angesiedelt im inferioren Parietallappen (IPL = BA39 & BA40)
    • motorischen Prozessen im Frontallappen und in den Basalganglien

Planung–Kontroll Modell (Glover, 2004) - Kontrollsystem

  • wird nach dem Planungssystem aktiviert
  • soll sicherstellen, dass Bewegungen korrekt ausgeführt werden
  • wird beeinflusst von den räumlichen Merkmalen des Zielobjekts
  • relativ schnell
  • Kontrolle hängt ab von:
    • einer visuellen Repräsentation angesiedelt im superioren Parietallappen (SPL = BA7)
    • motorischen Prozessen im Kleinhirn (Cerebellum)

Planung–Kontroll Modell (Glover, 2004) - Hirnregionen

SPL = superior parietal lobe (BA7)
IPL = inferior parietal lobe (BA39 & 40)
IT = inferotemporal lobe (BA20)
M1 = primary motor (BA4)
PFC = prefrontal cortex

Planung–Kontroll Modell (Glover, 2004) - Hirnregionen

SPL = superior parietal lobe (BA7)
IPL = inferior parietal lobe (BA39 & 40)
IT = inferotemporal lobe (BA20)
M1 = primary motor (BA4)
PFC = prefrontal cortex

Hirnregionen für Planung-Kontrolle

  • Studie (Glover et al., 2012)
  • Planung: darauf vorbereiten, nach einem Objekt zu greifen, aber noch nicht bewegen
  • Kontrolle: das Objekt sofort greifen
  • Befunde
    • Planungsprozesse verbunden mit stärkerer Aktivität im:
      • inferioren Parietallappen (IPL; MIP = middle intraparietal sulcus; PMP = posterior medial parietal area)
    • Kontrollprozesse sind verbunden mit stärkerer Aktivität im:
      • superioren Parietallappen (SPL)
      • Cerebellum (Kleinhirn)
      • → unabhängige Netzwerke Planung vs. Kontrolle

Glover et al. (2005) - Hirnregionen für Planung-Kontrolle

  • TMS auf SPL; während VP Objekt greifen, ändert sich Größe
  • schlechtere Leistung, da Kontrollprozesse im SPL ausgeschaltet sind
  • aber Befunde zu TMS auf inferioren Parietallappen vs. SPL bei Planung eher gegenläufig – stärkere Störung bei SPL

Hirnregionen für Planung-Kontrolle - Stärken

  • die Annahme, dass Bewegung Planung erfordert, wird unterstützt
  • Befunde zu Hirnaktivation stützen die Dissoziation zwischen Planung und Kontrolle

Hirnregionen für Planung-Kontrolle - Schwächen

  • Zusammenspiel von Kontrolle und Planung wird nicht spezifiziert
  • Planungsprozesse sind komplizierter, als sie im Modell spezifiziert sind
  • komplexe Faktoren spielen zusammen, um die Präzision der Handlung zu verbessern

Wahrnehmung menschlicher Bewegung

  • biologische Bewegung kann anhand von Lichtpunkt-Darstellung ausgesprochen leicht wahrgenommen werden (Johansson, 1975)
    • Aufnahme sich bewegender Schauspieler mit Lichtern in dunklem Raum
    • spontan, automatisch und angeboren
    • Ergänzen fehlender Infos → Gestalt

Wahrnehmung menschlicher Bewegung - Befunde

  • Wahrnehmung mit nur 6 Lichtpunkten möglich
  • auch bei sehr kurzer Präsentation
  • auch Zusatzinfos identifizierbar: z.B. Geschlecht, Emotion
  • besser bei Menschen als bei Tieren → spezialisiert

Wahrnehmung menschlicher Bewegung - Einschränkungen

  • Entwicklung der Wahrnehmung biologischer Bewegung bei Kindern (Pinto, 2006)
    • 3 Monate: gleich für Tiere & Menschen
    • 5 Monate: besser für Menschen

top-down Prozesse

  • (z.B. Aufmerksamkeit)
  • können die Erfassung biologischer Bewegung beeinflussen (Thornton et al., 2002)
  • bei komplexer Maskierung Aufmerksamkeit erforderlich

"Besonderheit” menschliche Bewegung zu erfassen

  • Regionen MT/V5 & MST sind an der Erfassung nicht-biologischer Bewegung beteiligt
  • Die superioren temporalen und prämotorischen frontalen Regionen sind an der Wahrnehmung biologischer Bewegung beteiligt

Spiegelneuronen-System

  • Neuronen, die aktiviert werden, wenn Tiere eine Handlung ausüben und wenn sie einen anderen bei der Ausführung derselben Handlung beobachten
  • ermöglicht Imitation und das Verstehen der Handlungen anderer
  • o Areal F5 des prämotorischen Kortex

Das Verstehen von Absichten (Iacoboni et al., 2005)

Wahrnehmung Biologischer Bewegung - Stärken

  • eine beeindruckende Fähigkeit
  • spezifische Hirnregionen beteiligt
  • Beleg für ein Spiegelneuronensystem

Wahrnehmung Biologischer Bewegung - Schwächen

  • vergleichsweise wenig Wissen darüber, wie bottom-up und top-down Prozesse interagieren
  • Aussagen bezüglich Spiegelneuronensystems werden manchmal überbewertet
    • Komplexe Interpretationen involvieren andere Systeme
  • das menschliche Spiegelneuronensystem muss noch auf neuronalem Level gefunden werden
    • bisher nur Regionen identifiziert
  • es ist unwahrscheinlich, dass Spiegelneurone allein für die Erfassung und Interpretation biologischer Bewegung zuständig sind
    • Lichtpunkte → Emotionen

Veränderungsblindheit

  • Unfähigkeit, eine bedeutsame visuelle Veränderung zu bemerken
    • Probanden überschätzen ihre Fähigkeit, Veränderungen zu bemerken (Blindheit gegenüber der Veränderungsblindheit)

Unaufmerksamkeitsblindheit

  • Unfähigkeit, ein unerwartetes, aber vollständig sichtbares Item zu bemerken, wenn die Aufmerksamkeit abgelenkt wird

Welche 5 Anforderungen sind nötig, um eine Veränderung wahrzunehmen?

  1. dem Ort der Veränderung muss Aufmerksamkeit gewidmet werden
    • Fixationen vor und nach der Veränderung
  2. visueller Stimulus vor der Veränderung muss abgespeichert werden
  3. visueller Stimulus nach der Veränderung muss abgespeichert werden
  4. Repräsentationen vor und nach der Veränderung müssen verglichen werden
  5. Diskrepanz zwischen den Repräsentationen vor und nach der Veränderung muss auf dem bewussten Level erkannt werden

Einflussfaktoren Veränderungsblindheit

  • Experiment (Hollingworth & Henderson, 2002)
  • Methode
  • Präsentation von Bildern
  • Änderung Kategorie (type change)
  • Änderung des Objekts (token change)
  • Aufzeichnung der Blickbewegungen
  • Ergebnisse
  • Entdeckungswahrscheinlichkeit
  • Type > Token
  • Fixation vor Änderung entscheidend, aber nicht hinreichend (< 100%)
  • Länge des Zeitraums der Fixation vor Veränderung nicht relevant
  • → Info bleibt erhalten für gewisse Zeit

Ursachen für Veränderungsblindheit

  • Unfähigkeit, Repräsentationen vor und nach Veränderung zu vergleichen

Ursachen für Unaufmerksamkeitsblindheit

  • Aufmerksamkeitssets, die es erlauben, die zu verarbeitende Menge an
    • Informationen zu reduzieren Information außerhalb des Sets wird ignoriert